Der Marktplatz

Als letztem erhaltenen Vertreter eines typischen Handelshofes aus der Zeit der Warenmesse (ausführlich beschrieben unter Kochs Hof) kommt Barthels Hof eine besondere Bedeutung im Leipziger Stadtbild zu. Der Gebäudekomplex umfasst die heutigen Grundstücke Markt 8, Hainstraße 1 sowie Kleine Fleischergasse 2 und entstand Mitte des 18. Jahrhunderts, seine Vorgeschichte geht jedoch noch über 200 Jahre weiter zurück. Hieronymus Walther, Faktor und Teilhaber des Augsburger Bank- und Handelshaus der Welser, ließ 1523 am Eingang der Hainstraße das Haus "Zur goldenen Schlange" als Sitz der Leipziger Niederlassung erbauen. Dominierender Teil der Fassade war ein dreigeschossiger Erker, der bis heute erhalten ist und damit als ältestes Fragment eines Leipziger Bürgerhauses gilt. Am Kragstein, mit seinen Kreuzrippen noch in den Formen der Gotik gestaltet, findet man als namensgebendes Hauszeichen eine goldene Schlange, die sich um ein T-förmiges Antoniuskreuz windet. Auch die Maßwerke hinter den Wappen der Kaufmannsfamilien Welser und Preußer sowie im oberen Brüstungsfeld tragen noch gotischen Charakter. Andererseits sind die rechteckigen Fenster mit sich überschneidenden Stabprofilen als Rahmung und der mit Kassettendecke und welscher Haube überdachte Altan bereits typische Merkmale der Renaissance. Interessant ist auch die lateinische Inschrift, die in einem aufgeschlagenen Buch im mittleren Brüstungsfeld des Erkers zu lesen ist: "Dieses Haus hatte Hieronymus Walther der Ältere zuerst mit großzügigen Mitteln aufgeführt, als diese Stadt Georg, der berühmte Held, Herzog von Sachsen regierte, ein gottesfürchtiger Fürst. In dieser Zeit lenkst Du 6. Hadrian im Bunde mit Karl V. das schwer erschütterte Schiff des armen Petrus." Dieses Bekenntnis lässt den Bauherrn als erbitterten Gegner der Reformation erscheinen, bekanntlich konnten sich Luthers Ideen erst nach dem Tode des benannten Herzogs Georg ab 1539 auch in Leipzig durchsetzen. Während eines Fassadenmbaus im Jahre 1642 erhielt die "Goldene Schlange" ihren eindrucksvollen Volutengiebel mit dem markanten erkerartigen Türmchen. Dieses Detail war später sicherlich auch Inspiration für einige Leipziger Architekten, denn an diversen Historismus- und Jugendstilbauten tauchte das Türmchen als Architekturzitat wieder auf. 1746/47 konnte der Leipziger Kramermeister und Stadthauptmann Gottfried Barthel nicht nur das Haus "Zur goldenen Schlange" sondern auch zwei benachbarte Grundstücke in seinen Besitz bringen. Bis 1750 entstand dann nach Plänen des bekannten Barockbaumeisters George Werner ein Ensemble von Hofgebäuden mit Zufahrt von der kleinen Fleischergasse, das bis heute den Namen seines Bauherren trägt. Entgegen dem Trend zu barocker Pracht und Gestaltungsfreude gelang es Werner, mittels ebenso nüchterner wie wirkungsvoller Fassadengliederung einen funktionellen Baukomplex zu schaffen ohne auf eine angemessene repräsentative Ausstrahlung zu verzichten. Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt Bartels Hof jedoch erst durch einen weiteren Umbau 1870/71. Als gestaltender Architekt ersetzte Bruno Leopold Grimm die Gebäude Markt 8 und Hainstraße 1 durch einen neobarocken Neubau, wobei er die Fassade der "Goldenen Schlange" auf der Hofseite über der Durchfahrt zum Markt platzierte und sie damit der Nachwelt erhalten konnte. Mit der Wandlung der Warenmesse zur Musterschau zur vorletzten Jahrhundertwende stand Barthels Hof seinen 200 Räumen allein in den Obergeschossen in zunehmendem Maße auch "meßfremden" Nutzern offen. Neben einer Reihe von Einzelhändlern siedelten sich auch eine Gaststätte (1890) und die Mitteldeutsche Rundfunk AG (1928) hier an, nach der notdürftigen Beseitigung von Kriegsschäden zogen die Stadtbibliothek und das Messeamt ein. Nach Jahren des fortschreitenden baulichen Verfalls mussten in den achtziger Jahren große Teile der Anlage wegen Baufälligkeit gesperrt werden. Nach der politischen Wende keimte auch für Barthels Hof wieder Hoffnung auf, die jedoch bald in einen eher zweifelhaften Ruhm umschlagen sollte: Die Großbaustelle war - wie einige andere Filetstücken der Leipziger Innenstadt - ab April 1994 von den zunächst unabsehbaren Folgen der größten Immobilienpleite der deutschen Wirtschaftsgeschichte betroffen. Erst nach mehreren Monaten Bauverzögerung und ca. 100 Millionen DM Investitionen durch die eigens gegründete Barthels Hof GmbH ist das Kleinod seit Anfang 1997 buchstäblich "aus dem Schneider".